2009-09-10

Thomas Scheibitz in der Produzentengalerie Hamburg

Die Produzentengalerie Hamburg präsentiert in einer umfassenden Einzelausstellung von 5.9.-17.10.2009 neue Arbeiten des Berliner Künstlers Thomas Scheibitz. Der Ausstellungstitel A.G.C.T. bezieht sich auf die Anfangsbuchstaben der vier Grundbausteine des DNA Moleküls: Adenin, Cytosin, Guanin, und Thymin. Indem diese Basen Paarungen miteinander eingehen bilden sie zwei komplementäre DNA-Ketten, die die Struktur einer Doppelhelix besitzt. Für Scheibitz, der die strikte Trennung der Genre ablehnt, ist die kettenförmige DNA Struktur eine gelungene Metapher für das Zusammenspiel von Malerei und Skulptur, die einander ergänzen und eine neue unlösbare Struktur bilden.

Oszillierten Scheibitz malerische Arbeiten immer zwischen dem Gegenständlichen und dem Abstrakten, so tendieren die hier ausgestellten neuen Arbeiten der „GP“-Serie eindeutig zum Figurativen. Die geometrischen Grundformen stehen im Mittelpunkt. In einem aktuellen Interview erklärt Scheibitz, warum ihm diese Formen so wichtig sind: „Ich beschäftige mich mit den Grundformen, aus denen unsere physische Welt gemacht ist, die man ebenfalls als Denkformen nach Sokrates bezeichnen könnte. Es ist eben genau die Summe der Mittel, die ich brauche, um mich im Gegenständlichen oder Figürlichen aufhalten zu können, ohne realistisch sein zu müssen.“

Die ausgestellten Skulpturen fallen durch ihre Materialbeschaffenheit auf. Sie sind das Ergebnis einer langen Reihe von Experimenten mit Oberflächenbeschichtungen. Die Skulpturen „Grill, „Modell“ und „Verstärker“ (alle 2009) sind mit verschiedenen Beschichtungen wie Eisen, Chrom und Steingranulat versehen worden. Sie spielen mit unseren Wahrnehmungsgewohnheiten, hinterfragen unsere Erfahrungswerte und fordern zu einer genauen Betrachtung der Realität auf. Methodologisch gesehen folgt Scheibitz dem Mechanismus von Surrogaten: ein Material imitiert ein anderes. Hier aber hört die Analogie auf, denn während die Funktionsweise von Ersatzstoffen darauf beruht, dass ein weniger wertvolles Material, z.B. Plastik oder Linoleum, ein hochwertiges, wie z.B. Holz, Metall oder Marmor, imitiert, sperren sich die Arbeiten von Scheibitz jeglicher Materialbewertung. Stattdessen hebeln sie traditionelle Werkstoffhierarchien aus. Die metallische Oberfläche verdeckt den darunter liegenden Holzkörper; keines der Materialien versucht die Gestalt eines anderen anzunehmen, noch gibt es vor, ein anderes zu sein. Indem Scheibitz die wahre Identität des Materials verschleiert, werden Erwartungen zunichte gemacht und der Betrachter wird auf den Bruch zwischen Erscheinung und Realität gestoßen.

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