2009-09-04

DIE KUNST IST SUPER- Hamburger Bahnhof Berlin



Heuete 2009 eröffnet der Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart - Berlin eine Neupräsentation der Sammlungsbestände auf rund 10.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche. Dem ausgerufenen Motto „DIE KUNST IST SUPER!“ folgend, ist diese Präsentation eine der wichtigsten Maßnahmen zur zukünftigen Positionierung des Hamburger Bahnhofs unter dem neuen Direktor der Nationalgalerie Udo Kittelmann.
In thematischen, monografischen und motivischen Konstellationen, in überraschenden Dialogen und beziehungsreichen Einzelauftritten werden Werke der Nationalgalerie, der Sammlung Marx und der Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof sowie der Sammlung Marzona neu in Szene gesetzt. Punktuell werden die Bestände des Museums um Leihgaben von Künstlern ergänzt, die diese zum Teil eigens für die Räume des Museums konzipierthaben sowie um Leihgaben aus den reichen Sammlungen der Berliner Museumslandschaft. Die Neuordnung der Sammlungen ist so angelegt, dass sich über die verschiedenen Gebäudeteile des Museums hinweg ein lebendiges Spiel der Verweise und Assoziationen, der Korrespondenzen und Kontraste entfaltet.

Fluxus und Happening, präsentiert im Erdgeschoss des Hauptgebäudes, entwickelten sich seit den frühen 1960er Jahren als internationale Bewegungen, die die Erweiterung und Entgrenzung des Kunstbegriffs anstrebten.
Die Künstler, unter anderen Joseph Beuys, George Brecht, Nam June Paik, Daniel Spoerri oder Wolf Vostell, erforschten neue Materialien wie Alltagsgegenstände oder Lebensmittel und Medien wie das Fernsehen oder Video. Kunst sollte nicht mehr nur in den üblichen Institutionen präsentiert werden. Die Aktionen fanden auch im Stadtraum oder im Hörsaal statt. Fluxus, „das Fließende“, wandte sich gegen traditionelle Kunstvorstellungen und deren Materialwirkungen, wobei man sich auf die Worte Heraklits berief: „Alles Sein befindet sich im Strom des Entstehens und Vergehens“. Die Betonung lag auf dem flüchtigen Ereignis, der humorvollen Untersuchung von Denk- und Wahrnehmungsmustern und der latenten Poesie alltäglicher Ereignisse und Gegenstände. Der Begriff „Fluxus“ etablierte sich nach und nach als Bezeichnung für die vielfältigen Aktivitäten eines internationalen Netzwerks von Künstlerinnen und Künstlern, die gemeinsam in Konzerten, Events und Ausstellungen die Grenzbereiche zwischen den Gattungen Musik, bildende Kunst, Literatur, Tanz und Theater erkundeten. Hauptschauplätze der Fluxusbewegung waren New York, Tokio, Köln,
Düsseldorf und Wiesbaden, aber auch zu den Wiener Aktionisten gab es Verbindungen. Der Fluxus-Manager George Maciunas verlegte Aktionspartituren, Spiele und zum spielerischen Gebrauch gedachte Auflagenobjekte, die er zu geringen Preisen zum Kauf anbot, damit sie von jedermann erworben und benutzt werden konnten. Die Happening-Künstler wiederum bemühten sich, in komplexen theatralischen Aktionen neue gedankliche Impulse und veränderte Verhaltensweisen beim Zuschauer hervorzurufen. Der Betrachter wurde dabei zum Beteiligten des künstlerischen Geschehens nach dem Motto „Kunst ist Leben, Leben ist Kunst“.

Anlässlich von „Die Kunst ist super!“ wird der bedeutende Werkkomplex von Joseph Beuys in den Räumen des Westflügels neu präsentiert. Dieser weltweit einzigartige Bestand an Installationen, Objekten und Filmdokumenten zeugt eindrücklich von Beuys’ Bestreben, den Kunstbegriff zu erweitern. Mit seinen provozierenden Skulpturen aus ungewöhnlichen Materialien wie Fett und Filz und seinen filmisch überlieferten Aktionen und politischen Handlungen wird ein Einblick in die Gesamtheit des künstlerischen Schaffens von Beuys vorgestellt. Die Skulptur "Das Ende des 20. Jahrhunderts" (1982–83) etwa, die hier erstmals wieder in ihrer ursprünglichen Fassung ausgestellt wird, verdeutlicht die „Richtkräfte“ seines utopischen Denkens, das jeden Menschen als Künstler versteht. Beuys war davon überzeugt, dass der Mensch im Sinne künstlerischen Handelns gestaltend in die Evolution eingreifen muss, um seine Freiheit zu erringen. Die Kunst war für ihn die einzige Möglichkeit, die destruktiven Seiten menschlichen Zusammenlebens positiv aufzuheben.
Parallel zu den bedeutenden Werkblöcken von Joseph Beuys sind in der Kleihueshalle unter dem Thema „Vanitas“ Hauptwerke aus der
Sammlung Marx versammelt. Vanitas bezeichnet Bildthemen und Symbole (wie z.B. Schädel, Uhren oder Spiegel), die an die Vergänglichkeit alles Irdischen erinnern und die Vergeblichkeit des Strebens nach weltlichem Reichtum, Ruhm und Sinneslust anmahnen. Befragt wird die Eitelkeit, die glamouröse, aber auch produktive Aura des Idols, die zu Andy Warhols zentralen Themen zählt. Sein Bild Cagney (1962), das den berühmten Gangsterdarsteller James Cagney in einer Erschießungsszene zeigt, leitet die Schau thematisch ein und steht ihr als moderne Vanitas-Darstellung voran.

Die zentrale Halle ist zwei großen installativen Arbeiten gewidmet, die um die Themen Modell und Rekonstruktion, Illusion und künstlerische Reproduktion kreisen. Roman Ondáks Installation "It Will All Turnout Right in the End" (2005–2006) ist zunächst nicht mehr als eine große Kiste, hinter den Pfeilern des Seitenschiffs abgestellt. Doch die Schlichtheit der äußeren Erscheinung wird konterkariert, sobald man die Installation betritt und sich in einer detailreichen Nachbildung der berühmten Turbinenhalle der Tate Modern in London wiederfindet. Für die Installation Waggon (2006) hat Robert Kusmirowski einen historischen Güterwaggon im Maßstab 1:1 aus einfachen Materialien nachgebaut. In dieser Arbeit wird der Betrachter durch die bewusst vom Künstler vorgeführte Sinnestäuschung in ein Spiel von Realität und Illusion, Geschichte und Gegenwart eingebunden. Erst kürzlich wurde die Installation von der Stiftung des Vereins der Freunde für die Nationalgalerie angekauft. Diesen beiden Werken zur Seite steht ein die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts maßgeblich bestimmendes Kunstwerk: das Fahrrad-Rad (Roue de bicyclette, 1913) von Marcel Duchamp.
Im Obergeschoss des Hauptgebäudes werden unter dem Titel „Modellversuche 1 + 2“ Arbeiten von Alfred Keller, Gerd Rohling, Lyonel Feininger, Hans-Peter Feldmann und Jochen Alexander Freydank präsentiert. Modellversuche dienen als Mittel, um zu einer tieferen und umfassenderen Erkenntnis der Wirklichkeit zu gelangen.

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