2009-01-31

Gerhard Richter in der Albertina

Die Albertina Wien wartet nach der Van Gogh-Ausstellung wieder mal mit einem "Blockbuster" auf, diesmal aber nicht so sehr fürs Volk, sondern eher für die "Kenner" zeitgenössischer Kunst: mit der Gerhard Richter Retrospektive stellt Albertina-Chef Schröder den derzeit "teuersten" deutschen Maler aus (Preiskategorie: bis zu 10 Millionen Euro).

Gerhard Richters Wolkenstudien strömen Heiterkeit aus, ein Meereshorizont kann sich unter bleiernem Himmel in unendliche Ferne ziehen oder ein abstrakter See schimmert etwa in blaugrün - tief und geheimnisvoll. Im Unterschied zu anderen Künstlern, die versuchen, die Aufmerksamkeit des Publikums durch Ekel oder schockierende Motive auf sich zu lenken, sucht Gerhard Richter stets das harmonische und perfekte Bild. Richter: "Da stehe ich etwas im Kontrast, zu dem, wie es derzeit am Kunstmarkt üblich ist, wo es desolat zugeht und wir die Zerstörung wiederholen. Ich möchte eher die andere Seite betonen: nicht eine heile Welt schaffen, aber eine konstruktive".

So hängt in der Richter-Retrospektive in der Wiener Albertina auch die berühmte Kerze - ein Bild auf dem nichts als ein leerer Tisch und eine brennende Kerze zu sehen ist - und verströmt ihr tröstliches Licht.
Bei diesen fotorealistischen Arbeiten sind die Konturen leicht verwischt, sodass man den Eindruck bekommt, man erblicke eine Wirklichkeit jenseits der Abbildung. Daneben hängen große abstrakte Gemälde in deftigem grün, rot oder blau, aber auch in grau, einer der Lieblingsfarben von Gerhard Richter. Wie etwa das abstrakt wirkende Gemälde "Waldstück", das für den Künstler aber eine realistische Darstellung ist. Wie er sagt, sind das in Wirklichkeit Heuschrecken, die eine Baumgruppe in Afrika überfallen.

Kein Maler hat es wie Gerhard Richter von Anfang an kultiviert, so unterschiedliche Stilrichtungen gleichzeitig zu verfolgen. Nachdem er in Dresden ganz im Dienste der dort herrschenden Stilrichtung des DDR-sozialistischen Realismus gemalt hatte, flüchtete er 1961 nach Westdeutschland und sog dort zuerst einmal die gerade aktuelle Kunst auf. Betrachtet man heute seine Arbeiten aus den 1960er und 1970er Jahren, fällt auf, wie eigenständig er trotzdem arbeitete, wie wenig er von Pop Art oder Fluxus beeinflußt war. Gerhard Richter: "Das ist mir dann auch aufgefallen. Damals habe ich das nicht so mitbekommen, weil das Bestreben war, alles so zu machen, wie es in die Zeit passt. Aber man merkt dann, dass das gar nicht geht - oder dass es bei mir nicht geht."

Immer wieder zeigte sich Richter unbeeindruckt von Erwartungen des Kunstmarktes, etwa als er 1988 einen 15-teiligen Zyklus zum RAF Terrorismus malte, oder als er dem gotischen Dom in Köln aus kleinen Farbquadern zusammengesetzte abstrakte Glasfenster verpasste, die den Kardinal an eine Moschee erinnerten.
Richter unterscheidet sich deutlich von Maler-Kollegen wie Georg Baselitz, die mit immer wiederkehrenden Motiven wie auf dem Kopf stehenden Gestalten langsam zu stagnieren scheinen. Trotzdem fordert der Kunstmarkt seinen Tribut: Gerhard Richter kommt in den letzten Jahren wegen der vielen Ausstellungseröffnungen wenig zum Malen, erzählt er: "Durch die vielen Ausstellungen und den wachsenden Ruhm komme ich immer weniger zum Malen. Manchmal habe ich Angst, dass ich den Beruf verliere. Aber ich habe oft Krisen gehabt und kann nur hoffen, dass es wieder kommt. Zur Zeit mache ich nichts."
Die Gerhard Richter - Retrospektive in der Albertina Wien - in der neben 63 Ölgemälden mit 90 Arbeiten ein Schwerpunkt auf Zeichnung und Aquarell gelegt wird -sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen. (Quelle: ORF-Ö1-Kulturjournal).

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