2008-08-16

Die William M.V. Kingsland Collection


"Stolen Art Uncovered. Is it Yours?" ("Gestohlene Kunst gefunden - Gehört sie Ihnen?") fragt das FBI seit Anfang dieser Woche auf seiner Homepage. Dort werden Dutzende Kunstwerke aufgelistet, von großen Namen wie Picasso, Giacometti, Toulouse-Lautrec, Schwitters und anderen mehr.

137 Kunstwerke umfasst die Liste mit Bildern und Skulpturen, die in einer New Yorker Wohnung gefunden worden waren. Nachdem das FBI nur wenige der rechtmäßigen Besitzer ausfindig machen konnte, entschloss sich die Behörde nun zur Veröffentlichung der Fotos. Der Fall begann schon im Jahr 2006, als der New Yorker "Privatgelehrte" William Milliken Vanderbilt Kingsland starb. Ein Testament gab es nicht. Die Abhandlung des Vermächtnisses übernahm die Stadt New York - und stieß dabei auf überraschende Schwierigkeiten.

Kingsland hatte als Wohnadresse die noble 5th Avenue in New York angegeben. Doch die Wohnung gab es nicht. Stattdessen führte die Spur in die - weit weniger noble - 72. Straße und das mit Kunstgegenständen vollgerammelte Apartment.
Außerdem stellte sich heraus, dass Kingsland nicht, wie bisher angenommen, die Eliteschule Groton und dann Harvard besucht hatte - und schon gar nicht mit einer französischen Adeligen verheiratet gewesen war. Und sein Name war auch nicht Kingsland.
Tatsächlich hieß der Mann Melvyn Kohn und war in der New Yorker Bronx aufgewachsen. Offenbar hatte er sich die neue Identität zugelegt, um von den Schönen und Reichen akzeptiert zu werden. Es gelang: Die Stadt kannte und schätzte ihn als kunstsinnigen Gentleman.

Wie sich herausstellte, dürfte der Kunstsammler obendrein recht eigenwillig gewesen sein: Die umgerechnet auf rund 670.000 Euro geschätzte Giacometti-Skulptur "Diegos Kopf" musste in Kingslands chaotischer Wohnung offenbar als Türstopper herhalten. Kingslands guter Ruf in NYC wog jedoch offenbar so schwer, dass sich die Verlassenschaftsverwalter nichts dabei dachten, die Kunstwerke in Ermangelung von irgendwelchen Erben schließlich versteigern zu lassen - und sich damit gewaltig blamierten.

Die Käufer der Kunstwerke recherchierten deren Geschichte und fanden prompt heraus, dass es sich um Diebesgut handelte. Die Auktionen wurden gestoppt und der Fall dem FBI übertragen. Doch die Aufgabe, die rechtmäßigen Besitzerder Kunstwerke zu finden, war schwieriger als gedacht. Die Kunst-Diebstähle liegen 40 Jahre und mehr zurück und der oder die Täter sind vermutlich schon tot - denn wie das FBI betont, ist keineswegs geklärt und in manchen Fällen sogar unwahrscheinlich, dass Kingsland selbst der Täter war. In der Wohnung des Verstorbenen wurden etwa Rechnungen über - allerdings eher unbedeutende Werke - von Auktionshäusern gefunden. Diese Kunstwerke hatte Kingsland also zweifelsfrei legal erworben. Von einigen anderen Kunstwerken konnte das FBI die rechtmäßigen Besitzer ausfindig machen.

FBI-Ermittler James Wynne erlebte jedoch auch dabei seine blauen Wunder: Wie er der "Herald Tribune" erzählte, fand er in einem Fall nach langen Ermittlungen den rechtmäßigen Erben eines der Bilder. Doch der zeigte sich alles andere als begeistert. Laut Wynnes Schilderungen verlangte der Mann ein E-Mail mit einem Foto des Bildes und wollte erst dann entscheiden, ob er Verwendung für das Kunstwerk hätte. In den meisten anderen Fällen verliefen die Spuren im Sand, wie auch bei der Giacometti-Skulptur.

Die Giacometti-Büste wurde zwar seit den 60er Jahren in Kunstkatalogen als verschollen und gestohlen aufgeführt - worauf diese Angabe beruht, lässt sich jedoch nicht mehr feststellen. Bei den anderen 136 Kunstgegenständen auf der FBI-Liste verhält es sich nicht anders. Aufgetaucht sind mittlerweile jedoch Erben von Kingsland. Wenn sich die rechtmäßigen Besitzer der Kunstwerke nun nicht melden sollten, können sich die vier Cousins und ein Onkel über einen erwarteten Auktionserlös von 2,4 Mio. USD freuen.

Link: International Herald Tribune

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